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Bayreuth, 17 Aug. 1809.

Gute Carol! Es ist lange, daß ich Ihnen nicht geschrieben habe , der Zeit, und noch länger den Begebenheiten nach. Aber ich habe noch viel aeltere Schulden, und – da man in unsern Zeiten mit allen seinen Schuldnern Geduld haben muß: so hoff' ich, daß es meine Gläubiger auch mit mir nicht so strenge nehmen werden.

Alles hat seine Zeit, sagte der Weise mit 1000 Weibern, das Reden hat sie und das Schweigen .

Jetzt hat sie Schweigen, die Zeit.

An Gegenständen zur Unterhaltung fehlt es uns nicht, denn wir sind an nichts reich mehr, als an Begebenheiten.

Ihr Briefchen v. 16 Mai hat mich auf dem Lande ; das v. Julii hier gefunden.

Von politischen Vorfällen sprech' ich nicht gerne; ich lese sie nicht gerne, weil ich nicht gerne Lügen lese und Schlachten; davon schreiben mag ich am aller wenigsten.

Im Anfang des gegenwärtigen Krieges hatten wir es gut: die Franzosen zogen ins Feld und wir genoßen – was wir lieben und lange entbehren mußten – Ruhe.

Aber gegen das Ende Juni führte – Gott weiß wer, uns einige Tausend Oestreicher in's Land und unsre Ruhe war wieder dahin.

|2 Sie mußten uns wieder verlassen; kamen wieder und der Waffenstillstand gebot ihnen die Räumung des Landes für das Korps des Herzogs von Abrantes.

Das haben wir, die wir schon 3 Jahre beständige Einqartirungen haben, zu ernähren und den Oestreichern zu verdanken.

Gott wolle uns Frieden u Ruhe geben! Mein alter Vater nahm sich in Juni eine neue Frau und in der vorigen Woche hat er sie schon wieder verlassen, weil sie sich beide die Erde zu einer Hölle machten – nichts Leichteres als das werden Sie denken – Nun muß er sie ernähren, bis sie auf seine Kosten geschieden seyn werden, wozu die gerichtliche Einleitung schon getroffen ist.

Dem alten Manne war zu wohl.

Es ist traurig, wenn man erst in seinem 77ten Jahre durch Schaden klug werden muß.

Als Künstlerinn kann man Ihnen nicht abrathen, wenn Sie nach Paris gehen wollen.

Wär' ich so frei, wie Sie, ich würde Sie bis in die Schweiz wohin ich zu Pestalozzi soll und möchte, begleiten.

Ich und die Meinigen freuen uns, Sie wenn es auch nur im Vorbeigehen ist, hier |3 zu sehen. Furchterlich Hochst unangenehm wäre es, wenn ich gerade auf dem Lande Einquartirung hätte und dort seyn müßte, wenn Sie hier wären.

Mein Israel hat sich nun eine Weinhandlung etablirt, wohnt einige Häuser von mir, ist thätig u brav. Der Herr wird ihn segnen.

Die J. Braun ist am 25ten Jul. mit einem Mägdlein Mutter geworden. Sie ziehet nach Freiburg ins Breisgau.

Auf Ihrer Reise nach der großen Kunststadt könnten Sie sie viell. auch sehen.

Herzliches bleib' ich am allerwenigsten schuldig; ich erwiedere daher schleunig den Gruß der Mad. Eskeless.

Mein biederer Uhlf. weiß Sie durch mich auch so zu grüssen.

Was werden wir uns von Acht Jahren her alles zu erzählen haben, bei unserm Wiedersehen!

Gott führe Sie glücklich zu uns und überall!

Em.

Zitierhinweis

Von Emanuel an Caroline Goldschmidt. Bayreuth, 17. August 1809, Donnerstag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB1303


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Textgrundlage

Hk: ehemals Slg. Apelt,
2 Bl. 8°, 2¾ S. Auf der Rückseite von S. 1 Briefschluss von B von Caroline Goldschmidts Hand.


Korrespondenz

B: Von Caroline Goldschmidt an Emanuel. Wien, im Juli 1809

Die Briefabschrift beginnt auf der Rückseite des Briefschlusses von B.