Von Johann Ernst Wagner an Johann Friedrich Frauenholz. Meiningen, 22. Oktober 1807, Donnerstag

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Meiningen den 22n Oct. 1807.

Wohlgeborner,
Hochzuverehrender Herr!

Durch Ihre neuliche gütige Nachricht von der geschehenen Absendung meines Bildes an Herrn Prof. Müller nach Stuttgart und die dabey geäusserte wahrhaft schönen Gesinnungen haben Ewr. Wohlgeboren mich lebhaft gerührt, und meine Verlagshandlung hoffentlich zum wenigsten aufs innigste beschämt. Leider tragen nur alle dergleichen ausgesäete reine Samenkörner der Liberalität dennoch so selten Früchte auf dem rohen Felde der Selbstsucht! Sonst müsste ja die Welt doch wahrlich viel besser seyn!

Ihre schon oft erprobte Güte macht mich so kühn, Ihnen, verehrter Mann, hier eine ganz gehorsamste Bitte vorzutragen, dem gütige Erfüllung mir sehr am Herzen liegt.

In etwa 4-5 Wochen werde ich mir die Freyheit nehmen, Ihnen den 1n Band meines neuesten Werks "Reisen aus der Fremde in die Heimath", dessen Erscheinung noch von gedachtem Kupferstiche abhängt, gehorsamst zu übersenden. An diesen Band ist ein Kunstplanr Deutschland angehängt, über den seit einiger Zeit manches freundliche Wort gesagt, geschrieben, auch von etlichen erhabnen Lippen zugesichert worden ist, und der nun – angethan mit dem Kleide stiller bescheidner Hoffnung – zum erstenmal öffentlich ans Licht der Welt treten soll. Zu seiner, dem Innern desselben gemäß, nöthigen weiten Verbreitung sind natürlich viele und gute Addressen nöthig, und wenigstens – wo diese ganz fehlen – doch gute, schickliche und möglichst Hoffnungsreiche Namen. Die Nennung dieser und die hülfreiche Mittheilung jener – dies ist's, was ich von Ihnen zu erbitten habe, den Deutschland und die Welt längst zu den grössten, eifrigsten und uneigennützigsten Kunstfreunden zählten. – Haben Sie doch die Güte, in Ihrem Gedächtnisse mir zu Liebe einmal Ihre näheren Freunde, Kunstfreunde, reichen Kunstbeförder, armen aber enthusiastischen Liebhaber, angesehene Dilettanten, geniale Menschen, auch besonders reiche oder arme geniale, gebildete oder kunstfreundliche Frauen nach demjenigen Städteverzeichnisse gütig zu mustern, welches ich Ihnen hieher setze, und worinn ich zwar nicht ohne Addressen bin, |2 aber doch noch lange nicht reich genug an Addressen und bekannten Namen Es versteht sich, daß überall, wie ich hiermit zum Voraus gelobe, die grösste Diskretion beobachtet wird, die unser Publikum soviel ich weiß noch nie an mir vermisst hat. Ich bitte weiter nichts als: "in meiner Zuschrift Ihren Namen (da wo Sie persönliche Bekanntschaft haben) nennen, übrigens meines Werkchens 1n Band postfrey übersenden, schenken und dabey bitten zu dürfen, man möge den Plan gütigst lesen, ihn andern dortigen Kunstfreunden und Befördrern mittheilen und sich, falls er Beyfall finde, dort nach Möglichkeit für die Sache verwenden." – Oder auch: "man möge das Werk, welches dorten bey Herrn N. N. liege, gütigst einsehen pp" – Und so gedenke ich im Namen der Kunst Ihren lieben Namen nicht unnützlich, sondern nützlich zu führen. – Hohe Häupter bitte ich möglichst zu vermeiden, welches Ihnen aus dem Plan selbst deutlicher werden wird. Im Fall eines gänzlichen Mangels von Addressen an einem Ort bitte ich nur um Anzeige der gebildetsten und hoffnungsreichsten Buchandlung. Ich will die nothwendigsten unterstreichen. Freylich sind sie's fast alle

Magdeburg, Braunschweig, Hanover, Glückstadt, Hamburg, Lübeck, Schwerin, Berlin, Stettin, Danzig, Königsberg, Riga, Dessau, Dresden, (ich weiß L. Tieks gegenwärtige Addresse nicht, und wünschte sie sehr.) Wittemberg, Leipzig, Gera, Rudolstadt, Cassel, Neuwied, Mainz, Frankfurth a. M., Fulda, Manhein, Heidelberg, Düsseldorf, Cölln, Bremen, Darmstadt, Stuttgart, Carlsruh, Augsburg, Ulm, Basel, Zürich, Passau, Wien, Salzburg, München, Regensburg (auch Friedr. Schlegels jetzige Addresse geht mir ab.) Ansbach, Baireuth , Nürnberg (ausser Ewr. Wohlgeboren) Bamberg, Würzburg, Prag, Ollmütz, Breßlau.

Jemehr von jedem Ort, je besser!

Wollten Sie dann, freundlicher Mann, hierinn Etwas für mich gütigst thun? – Es gilt ja der Kunst! Das sey für jetzt alles gesagt.

Übrigens erspare ich alles Weitere bis künftigen Monath, und hoffe nun endlich bald in recht nahe, innige Verbindung mit Ewr. Wohlgeboren zu kommen!

Nochmals erlauben Sie mir Ihnen den Satz ans Herz zu legen: Wer bald hilft (und schreibt und Addressen giebt) hilft zweymal!

In besch beständiger Verehrung

Ewr. Wohlgeboren ganz gehorsamstverbleibender JEWagner
H. S. KabinetsSekretär

Ich vergaß, die Bitte um gütige
Verschwiegenheit bis zu Erscheinung der
Sache oben hinzuzufügen.
Zitierhinweis

Von Johann Ernst Wagner an Johann Friedrich Frauenholz. Meiningen, 22. Oktober 1807, Donnerstag. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0865


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Textgrundlage

H: DBSM Leipzig, Studiensammlungen, 2006/Arch/79
1 Dbl. 4°, 2 S. Auf S. 3 Adr.: An | Herrn Kunsthändler Frauenholz | Wohlgeboren | in | Nürnberg. | Postfrey. Präsentat vfrH, um 90° gedreht: Meinungen 1807 | Dat 22 October | beantt. (?) 6 Novbr. | Wagner.