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Liebe Caroline!

ich habe Deinen Brief vom 18ten January mit der Nachricht von Deiner glücklichen Zurükkunft mit Vergnügen erhalten; u kann Dir dagegen die Beruhigung gewähren, daß ich an der völligen Herstellung von Minna wenn gleich in unzubestimmender Zeit nicht zweyfle. Die Gründe meiner Hofnung liegen in dem was sie seyn kann, wenn sie sich selbst äußerlich ge wieder gefunden haben wird, und in meinen gewißermaaßen strengen Maaß Regeln, sie dahin, und aus dem innern Brüten auf sich selbst heraus zu bringen. ich bin nehmlich unerbittlich in der ärtztlichen Vorschrift der täglichen Bewegung, und der thätigen den Geist selbst in Bewegung setzenden Beschäftigungen; u scheue in ersterer Rüksicht selbst die Kosten des Fahrens nicht, wo die Witterung ihr Vorwand gegen das Gehen gibt. Herr Langermann mit dem ich vorgestern aß, billigt auch den Weg den ich gehe.

Die Haupt Sache ist nun, daß ich meine Frau gegen Ostern von der Last befreye, die sie bisher mit so vieler Theilnahme für mich getragen hat, und bis Ostern gern tragen will.

Alsdann aber werde ich der Minna ein eignes Quartier miethen, u sie dort mit Emma wohnen laßen.Du siehest aber ein, daß es zu viel gefordert seyn würde, wenn ich chambre garnie für |2 sie miethen sollte, um den Mangel ihres eignen Wirthschafts Bestandes zu ersetzen; und ich mache es Dir zur Pflicht dafür zu sorgen, daß ihre sowohl Altenburgsche als Leipziger Sachen, noch zeitig vor Ostern mit guter Gelegenheit u so wenigen Kosten als möglich sicher hieher gebracht werden.

Denn Herr Br. der ein so selbstsüchtiger Flegel ist , daß er in seinen Briefen an Minna auch keinen Gruß für mich u meine Frau übrig hat, hat noch keinen termin für seine Vereinigung mit Minna gesetzt, vielmehr ihr eine Arbeit eines Jahres (die Ubersetzung der Briefe der Sevigny ) angetragen; so daß er bis dahin auf ihren Aufenthalt in Berlin zu rechnen scheint.

ich will nun auch einmal annehmen, daß aus der Heyrath überhaupt etwas wird, welches wohl mit von der Geistes Probe durch jene Übersetzung abhängen soll, die zugleich cörperliches Wohlbefinden voraussetzt, so ist doch diese Probe Zeit für mich u meine Frau zu lange gestellt; u ich wiederhole also meine Forderung der herzuschaffenden Sachen. Man wird ja dann sehen, wie Deine Bemühungen deßhalb in Altenburg u Leipzig aufgenommen werden.

|3 Herr Mahlmann hat sich wie ein kluger Mann gegen Herrn Br. genommen. Dieser wird ihm zwar solches, wie mir mein Benehmen verdenken. Aber das ändert für den dritten besonnenen Mann nichts in der Ansicht der Sache.

So wie die Sachen jetzt liegen, war Minna als Mittel zum Zweck, also zum Opfer für einen höchst ungewißen Zweck bestimt, und das war von Herrn Br. u seinen Freunden gegen eine Mutter von 4. Kindern, die ihren Vater auch wohl verlieren kann, nicht edel.

Daß Du Herrn M. 50 rth zur Reise geliehen, ist mir lieb; u ich werde Dir diese Kosten Deiner aus Liebe für mich gemachten Reise ersetzen, so bald ich kann. Jetzt habe ich es nicht.

Deine Apologie für Minna ist über tolerant. Nach dem was mir Herr Br. von [...] Producten ihrer Gutmüthigkeit gesagt hat , kann nur Mitleid meine Zunge im Zaum halten. Welch ein strafbarer Leichtsinn! Alles was ich in guter Absicht (um den Druk des Gewißens zu lüften) gethan habe, ist ihr gesagt zu haben, für mich gebe es kein Geheimniß |4 ihrer Vergangenheit mehr. Diß verbunden mit nicht weiter Ausbreitung über die Sache, scheint auch etwas zu ihrer Beruhigung beygetragen zu haben.

Auch habe ich ihren Wiederwillen gegen Emma ihr aus dem Bewustseyn deutlich gemacht, daß Emma um alles wiße, u indem ich Emma weiter ungefragt laße, u sie ernstlich zur Pflichtmäßigkeit gegen die Mutter hingewiesen habe, hat sich das Verhältniß gebeßert, u es wird nicht nötig seyn, nach Deiner idée die Emma aufs Land zu bringen. Emma ist zu jeder guten Richtung fähig, u in vielen Stücken läßt sich von ihr mehr, als von Minona erwarten.

Verzeyhe übrigens, wenn ich nicht an Herrn Mahlmann schreibe; auch er hat mich zu tief beleidigt. Du als Schwester von Minna kannst das beste würken. Rechts Gründe sind verworfen; mache Du die der Billigkeit geltend.

Der Brief von Julius erfolgt hiebey zurük.

Grüße Deinen Mann, u küße Deine Kinder. Der Emma noch einen Kuß für ihr Andenken an mich.

Dein
treuer Vater
Mayer

Zitierhinweis

Von Johann Siegfried Wilhelm Mayer an Caroline Richter. Berlin, Ende Januar (?) 1811. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0317


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin A
2 Bl. 8°, 4 S. Auf S. 3 energische Tilgung zweier Wörter vfrH.


Korrespondenz

Zur Datierung: Am 18. Januar 1811 kehrte Caroline Richter nach Bayreuth zurück, nachdem sie Wochen in Altenburg zur Pflege ihrer erkrankten Schwester Minna Spazier verbracht und danach noch den Vater, zu dem Minna Spazier Anfang Januar gebracht worden war, in Berlin besucht hatte. Der Brief wurde nach Caroline Richters Rückkehr nach Bayreuth geschrieben und ist, da er Minnas Verbindung mit Brockhaus noch nicht kategorisch ausschließt, der erste von zwei undatierten Briefen Mayers an Caroline Richter aus den ersten Monaten des Jahres 1811.