Von Ernestine Mayer an Johann Siegfried Wilhelm Mayer. Leipzig, 4. März 1801, Mittwoch

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den 4ten Marz 1801.

Gewiß, liebster Vater, erwarten Sie mich selbst wohl eher als noch diesen Brief. – Aber zu meinem großen Verdruß muß ich Ihnen sagen daß es mit der Ihnen zulezt gemeldeten Gelegenheit nun auch nichts ist – und sich aller Bemühungen ungeachtet, sich jetzt durchaus gar keine finden will. – Der rußische Consul der mich wirklich mitnehmen wollte mußte mit einenmale statt nach Berlin nach Dresden und meine schöne Hoffnung war vereitelt. Es ist jetzt so schwierig eine zu finden da Frauenzimmer in dieser Jahrzeit – bey den schlechten Wegen selten reisen.

Wenn es anginge, daß Sie d mir die Hälfte des Weges einen Wagen entgegen schickten, worinn mir irgend eine sichre Begleitung – Ihr Bedienter etwa? sich befände, so könnte ich ja wohl von hier aus mit Spazier die erste Hälfte zurücklegen – nemlich bis Wittenberg . |2 So ungern, wie ich wohl sehe, Spazier sich auch dazu verstehen würde, da seine Geschäfte eine Abwesenheit von wenigen Tagen nur, fast nicht zulaßen, so weiß ich doch keinen andern Rath, wenn ich nicht noch Monate hier zubringen will. – Und wenn ich gar an die Kosten denke, die es doch natürlich unendlich mehr macht – als wenn ich mit einer Gelegenheit führe! –

Wenn Sie jetzt nur die Güte haben mir mit nächster Post Ihren Willen bekannt zu machen. Ich werde noch immer nicht aufhören mich nach Gelegenheiten umzusehen. – Ihr Brief wird aber dann entscheiden – und wenn Ihnen selbst, etwas daran liegt mich bald wieder bey sich zu sehen, so erlauben Sie mir gewiß einen schnellen Entschluß zu faßen. – Sollte es vielleicht |3 sich doch nicht thun laßen daß Spazier mit reisen könnte, so gienge es ja wohl an daß ich eine weibliche Begleitung – dieselbe Person die [...] schon einmal dazu bestimmt war – mitnähme. –

Schreiben Sie mir doch ja recht bald liebster Vater; denn es giebt keinen unerträglichen Zustand, als den der Unschlüßigkeit, noch dazu wenn er nicht in uns selbst, sondern nur in äußern Verhältnißen liegt. Ich sehe nicht ein warum ich nicht ganz alleine reisen könnte – wer würde mir denn etwas thun? – Doch geht es freylich nun einmal nicht an!

Ich habe noch nicht dazu kommen können Ihren Wunsch wegen taxation der bijouterien, Münzen und Kleider der Mutter zu befriedigen. Sie werden es gewiß entschuldigen wenn ich Ihnen die Gründe anführe, daß es bis jetzt noch unterblieb. – |4 Die Hauptursache ist wohl die, daß wir alle zu sehr mit der Wöchnerin, und den Angelegenheiten des Hauses beschäftigt waren um ernstlich zu etwas anderen zu kommen. Nachdem wir nun wieder alle in Ruhe sind, die Taufe vorbey ist etc: so haben wir es alle hin und her überlegt und scheint es doch der Kleinigkeiten wegen fast nicht der Mühe werth hier das vorzunehmen. Seyn Sie nur nicht böse, liebster Vater, wenn Sie unsre Meinung unüberlegt finden. Ich dachte nur da ich doch das Benannte mit nach Berlin zurückbringen muß und nur das zurücklaße was wie Sie selbst sagten zu unbedeutend ist um taxirt werden zu müßen so komt es ja auf eins heraus. Da ich doch einen Koffer mitbringe so geht leicht alles hinein was sich hier von den Sachen der Mutter befindet. – Die Zeit ist zu kurz um mehr zu schreiben Zürnen Sie nur nicht auf mich, liebster Vater und glauben Sie fest an die treue

Liebe Ihre
Ernestine

Herzliche Grüße von Minna, und die kleine Laura bittet um Ihren großväterlichen Segen. Auch Spazier empfielt sich.

Zitierhinweis

Von Ernestine Mayer an Johann Siegfried Wilhelm Mayer. Leipzig, 4. März 1801, Mittwoch. In: Digitale Edition der Briefe aus Jean Pauls Umfeld, bearbeitet von Selma Jahnke und Michael Rölcke (2020–). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/umfeldbriefbrief.html?num=JP-UB0228


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Textgrundlage

H: BJK, Berlin A
1 Dbl. 8°, 4 S.