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Von Jean Paul an Heinrich Ernst Friedrich Konrad Reichsfreiherr von Dörnberg. Bayreuth, 17. Juli 1807.

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[ Bayreuth, 17. Juli 1807 ]
156,11

Vergeben Sie, daß ich das Glück einer kurzen Bekanntschaft
mit Ihnen zu einer Bitte an Sie verwende. Die Einquartierungs
Kommission, welche die Noth zu Willkühr zwingt und welche ohne
Schuld auf Zufälligkeiten der Gerüchte festbestehende rechtliche156,15
Lasten gründen muß, hat mich, wie ich nicht nur höre sondern auch
auf meinen Quartierzetteln erfahre, mit 2 Porzionen belegt. Man
sagt mir, der Maßstab sei ½ Mann bei einem Vermögen von 4 oder
5000 fl. Ist dieß, so kann ich jede Minute beweisen, daß ich nur einen
½ verdiene, so lieb es mir wäre, das Gegentheil darthun zu können,156,20
damit ich selber als ein ganzer Mann erschiene. Wahrscheinlich
hat man unschuldig aus meiner Ausgabe Schlüsse auf meine Ein
nahmen gemacht. Aber ein Schriftsteller, der nicht kompilieren
sondern erschaffen soll, muß oft in eine Dinte eintunken, die aus
Weintrauben und Kaffeebohnen gemacht ist, ein Dintenrezept, das156,25
oft halb soviel kostet als alles das einbringt, was er nachher damit
erschreibt. Überdieß bin ich ein Fremder hier — vielleicht in manchem
Sinn — nehme weder vom preußischen Staate (so wie von keinem
andern) einen Heller ein, noch gebrauch’ ich, wie etwa ein Kaufmann,
irgend etwas um mich her zum Nahrungs-Werkzeug; und lebe156,30
gerade so von meinem Gelde als wär’ ich gestern im Anker ange-
kommen.


Endlich da ich blos von meinen literarischen Arbeiten lebe: so
möchte ich wissen, wenn ich nach deren Ertrage soll geschätzt werden,
wie es die Einquartierungs-Kommission machen will — da ich es156,35
selber nicht vermag —, daß mir etwas Philosophisches oder Dichte157,1
risches oder anderes einfällt, was ich zum Verlegen fortschicken
könnte. — Ja, fiele mir sogar etwas Passendes ein, das sich zu
einem Honorar qualifizierte, so mangelte jetzt, wenn nicht der Ver
leger, doch der ganze Buchhandel; denn gerade jetzt, wo alles mar157,5
schiert, kommen Bücher und Buchhändler und Manuskripte gar nicht
in Kurs.


Ich könnte noch hinzusetzen, daß ich hoffe, die Kommission werde
gewis auch darin Napoleon nachahmen, daß sie wie er Wissen-
schaften und Künste beschützt. Indeß Ihnen, H. Präsident, sollte157,10
ich dieß alles kaum herschreiben, nicht nur aus Schonung für Ihre
mit Geschäften überladne Zeit, sondern auch aus reiner Überzeugung
von Ihrer Denkungsart über Recht und Wissenschaft. Und nur
eben diese Überzeugung ist meine Entschuldigung und meine Ver
anlassung, daß ich mich mit aller Hoffnung zuerst an Sie gewandt.157,15

Zitierhinweis

Von Jean Paul an Heinrich Ernst Friedrich Konrad Reichsfreiherr von Dörnberg. Bayreuth, 17. Juli 1807. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=V_379


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Textgrundlage
D: Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 5. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1961. Briefnr.: 380. Seite(n): 156-157 (Brieftext) und 329 (Kommentar). Konkordanzen Druck-Digitale Edition

Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen

K (von 156,28 weder ab von Karolinens Hand): Präsid. Dörenberg [!] 17 Jul. i: Denkw. 3,144. 156,20 darzuthun 24 eintrunken

Heinrich Ernst Friedrich Konrad Reichsfreiherr von Dörnberg (1769 bis 1828), kgl. bayr. Staatsrat u. Regierungspräsident; s. 157, 29. 156, 31 Anker: Wirtshaus in Bayreuth. 157, 9f. Vgl. 103, 8f.