Von Jean Paul an Charlotte von Schlammersdorf. Bayreuth, 15. Oktober 1805.
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Sehen Sie dieß Blatt nur als ein Zeitungsblatt an, liebe Hof
und Garten- und Brief-Freundin! Ich kann sogleich mit 2
Neuig
keiten anfangen — wenn sie nicht
schon für Sie eisgraue sind —
erstlich daß Wangenheim durch den
R[eichs]H[of]Rath
gerade in
so viel, ja in mehr wieder eingesetzt worden, als er besessen
— 2) daß61,30
mein König mit dem russischen Kaiser
gesprochen. Die 3te obwol für
mich schon 1 Jahr alte Neuigkeit ist, daß ich eben so lange
ein Vor
steher der
R[umfordischen] Suppen-Anstalt bin.
Denken Sie sich
mich im Winter im Mantel neben dem großen Suppenkessel
stehend und meinen Hund neben meinen Stiefeln — wir beide
ver62,1
suchen die Suppe — ich allein schreibe
die Porzionen auf und gebe
sehr Acht. Aber ach, auch auf den
hungrigen frierenden Jammer
umher, ob ich gleich vielleicht eben
aus einem schriftstellerischen
Eden herkomme. — Nun so gehe es
denn der Großfürstin auch!
62,5
Das Eden, das sie hat, wenigstens
verdient (der Unterschied ist
doch in
der 2ten Welt kleiner) werde auch von der Suppen-Anstalt
nicht unterbrochen oder fortgesetzt. Die Vorsteherschaft —
unserer
sind 7, aber diese 7 ist keine böse — hätte sich ohne
mich an ihr
schönes Herz gewandt; warum soll ich der bittenden
Ambassade62,10
nicht ein Erinnerungs-Wort der Liebe an Sie
und meinen Dank
laut an die schöne Seele mitgeben, deren
Schönheit schon mit den
Augen und der Gegenwart anfängt —
Zitierhinweis
Von Jean Paul an Charlotte von Schlammersdorf. Bayreuth, 15. Oktober 1805. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=V_156
Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen
K (von Karolinens Hand, nur Überschrift und Schluß von 62, 11 und an eigenhändig): An Fräul. v. Schlammersdorf 15. Okt. i: Wahrheit 7,54. A: IV. Abt., V, Nr. 63.
Die Adressatin war Hofdame der Großfürstin Konstantin, die sich damals in Fantaisie bei Bayreuth aufhielt, vgl. Nr. 121. (Die Frau des Dr. med. Doppelmaier war eine geb. v. Schlammersdorf, s. Bd. I, zu Nr. 36.) 61, 29 Wangenheim: vgl. Bd. IV, Nr. 459†. 31 Der russische Kaiser kam erst am 25. Oktober 1805 nach Berlin. 33 Suppenanstalt: s. Nr. 59. Fräulein v. Schlammersdorf übersendet in A 3 Carolin von der Großfürstin und 2 Cronen aus eigner Tasche; „... rühren Sie Ihre Suppe so gut wie unsre Herzen ...“