Von Jean Paul an Heinrich Voß. Frankfurt a. M., 12. Juni 1818 bis 13. Juni 1818.
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204,26Mein guter Heinrich! Ich will vor der Hand nur ein Bischen
schreiben, eh ich am rechten Tage dir auf diesem Bogen Ankunft
und alles melde. Die Frankfurterinnen und die
Bundtagwerker um-
204,30
spinnen mich immer von neuem
mit ihren weichen Fäden, wenn ich
auch noch so viele
durchgebissen, um zu euch zu fliegen. Der Ge-
205,1
lehrtenverein hat mich mit einem
schönen Feste und Gedichte (vom
edlen Hofrath Jung aus
Mainz) angesungen. Ich will dir ein
Exemplar schenken — und überhaupt viele Berichte von
meinen
hiesigen Freunden. Hier erschöpfen die
Nachtwachen der Freude205,5
schon meine Kräfte; wie soll
ich damit bei euch auslangen? — Meine
Frau kommt nicht zu
euch, es ist nicht zu machen, und damit begnügt
sich jeder. — Frankfurt ist von Himmeln der Gegend
umzogen;
aber Nachts, wenn ich draußen zum träumerisch fast warmen
Mond
aufsehe, fährt eine ordentlich quälende Sehnsucht
nach euch in mich.205,10
Der Anfang der künftigen Woche
stillt sie schon. — Den Scherzbrief
an Engelmann lies und siegle und gib. — Ich habe die
Nachtfreuden
und Mittag- und Abendessen und Nachtwachen bis ein Uhr
und die
Lobreden so satt, daß ich lieber zu meiner
theueren Familie um-
kehrte, wenn ich nicht in Heidelberg innig geliebteste Menschen
205,15
hätte, worunter freilich Heinrich und Sophie
voranstehen. Das Un-
glück bei allem ist nur, daß ich
wieder von da aus nach Manheim
muß; aber des Glücks dabei ist doch wieder, daß ich da
nicht länger
bleibe als einen Sonnabend und Sonntag. —
Wilhelm Schlegel
kommt in der künftigen Woche auf 14 Tage zu euch. Er
besuchte205,20
mich und hat sich aus der jugendlichen
Zeit schön enthülset.
Cito
Schon lange war es bestimmt, daß ich den 15ten Mittags
hier
abreisen und etwa in Auerbach übernachten und
dann am Morgen
darauf an eueren Herzen ankommen wollte. — Und dabei
bleibt es205,25
jetzo aus einem neuen Grunde.
Nämlich die Herzogin von Kurland (schreibt mir die Ende),
welche mich in Baireut sehen
wollte, kommt den 13ten oder 14ten
in Heidelberg an, bleibt einen
Tag und will sogar im Karlsberg
wohnen. Mach es ja, daß sie auf irgendeine Weise meine
Ankunft205,30
erfährt. Die Stunde werden die Heidelberger leichter berechnen
als ich.
Und so lebe denn wol, Getreuer, Geliebter! Gegrüßt sei das Haus.
Zitierhinweis
Von Jean Paul an Heinrich Voß. Frankfurt a. M., 12. Juni 1818 bis 13. Juni 1818. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=VII_425
Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen
* K (von Karolinens Hand): Berlin JP. J: Voß S. 52×. 205,13 und3 bis 14 Lobreden] so J, fehlt K
205,24 Auerbach: jedenfalls das hessische, halbwegs zwischen Darmstadt und Weinheim, nicht das badische an der Elz, östlich von Heidelberg. 27—30 Über die Herzogin von Kurland hatte Frau von Ende am 3. Juni an Karoline geschrieben, die den Brief wahrscheinlich am 9. an Jean Paul sandte.