Von Jean Paul an Georg Andreas Reimer. Bayreuth, 7. Oktober 1825.
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Auf Ihr so wohlwollendes Schreiben vom 12ten Sept. muß
ich
wenigstens eine vorläufige Antwort geben, da Cotta, an den
ich den
11ten Sept. schrieb, und dem ich
14 Tage nachher durch seine Buch
handlung ein neues Treibmittel nachschickte, mir noch immer die Ant290,20
wort schuldig blieb, weil ihn der Dampf
— das Schießpulver der
neuesten Zeit — bis nach Strasburg
und über den Rhein hin ver-
sprengte; aber mein Warten soll nicht
wie eine Sünde bei Ihnen aus
sehen. Ihre
letzte Gegenwart und Ihr letzter Brief stärken mich nun
mit
dem vollsten Zutrauen zur gegenseitigen glücklichen Ausführung290,25
unsres Geschäfts. Aber über Einen Punkt, lieber Reimer,
mis
verstanden Sie mich. Nicht zur
vorgeschlagnen allgemeinen Kaufsumme
habe ich Ja gesagt,
sondern nur das so vielen Zufälligkeiten ausgesetzte
Nachzahlen weise ich von mir ab. Mein und Ihr Tod, so viele dann
eintretende Mittelspersonen, kurz die ganze Unsicherheit der
Zukunft,290,30
erschweren Berechnung und Genuß. Daher
wollte ich z. B. für den
vielleicht nicht zu theuern Kometen
den von Ihrer Güte gebotnen Nach-
schuß nicht annehmen.
Wollen Sie demnach zur frühern Kaufsumme von 20,000 Rth. so
gleich die angebotene Nachschußsumme der drei Absatzperioden,
also290,35
in Allem 35,000 Rth. geben, so sind wir einig
und der Grundstein unsres
literarischen Baues ist gelegt.
Einen solch rechtlich abwägenden Mann291,1
brauche ich zur
Ermunterung gar nicht an die neuern Beispiele und an
das
ungerechte Göthes zu erinnern, der jetzt mehr vom Publikum fodert
als sonst je von seinem Fleiße. — Dem guten Max in Breslau
habe
ich auch mit keiner Zeile etwas versprochen, und sein
Geldanerbieten291,5
mit keiner beantwortet, sondern immer
Ihre und Cottas Verhältnisse
entgegengesetzt. — Bleibt Alles so wie ich es jetzt hoffe,
so schreibe ich
an den Großherzog von Baden und die Kaiserin
von Östreich, Schirm-
herrn und Schutzheilige gegen den
Nachdruck.
Mein trefflicher Neffe Spazier ist schon als litterarischer Adjunkt
291,10
und mechanischer Arbeiter — wegen der beiden
Basilisken in den Au
gen — zu mir
geladen, damit ich wenigstens immer vier Lieferungen vor
Ihnen voraus bin. Es gehe Ihnen, mein Reimer, innig wohl.
Zitierhinweis
Von Jean Paul an Georg Andreas Reimer. Bayreuth, 7. Oktober 1825. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=VIII_500
Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen
K (von Emmas Hand) ohne Überschrift. i: Beilage zur Leipziger Zeitung, 15. Dez. 1881, Nr. 100. B: IV. Abt., VIII, Nr. 347. A: IV. Abt., VIII, Nr. 351. 290,18 an den] von dem 28 das] aus daß 30 Unsicherkeit 291,8 Östreich] aus Österreich
Nach A war J. P.s Brief vom 9. Okt., B ist nicht vom 12., sondern vom 24. Sept. datiert. Reimer nimmt darin Bezug auf die Bedingungen, die er bei seiner persönlichen Anwesenheit in Bayreuth (im Sommer 1825) J. P. vorgeschlagen habe, und wiederholt, daß die von ihm gebotene Summe (20 000 Taler) nur als Minimalbetrag anzusehen sei, den er J. P. und den Seinen auf alle Fälle sichern wolle. Er wünsche zwar den Preis der ganzen Ausgabe möglichst niedrig zu halten, nicht wesentlich über 30 Taler, erbiete sich aber — trotz J. P.s Ablehnung jeder Vermehrung der gebotenen Summe — nach Absatz von 3000 Exemplaren 5000 Taler nachzuzahlen, nach Absatz von 4000 noch einmal 5000 Taler und nach Absatz der ganzen, auf 5000 Exemplare bestimmten Auflage noch ein drittesmal 5000 Taler, so daß sich die Summe auf 35000 Taler erhöhen würde. Seine früheren Bedenken wegen der möglichen Ansprüche Cottas glaube er durch die Erwägung beschwichtigen zu können, daß Cotta bei seinen Unternehmungen sich auch niemals um die Ansprüche früherer Verleger gekümmert habe, daß er (Cotta) in einem Lande wohne, wo der Nachdruck nicht verpönt sei, und daß er weniger Werke J. P.s in Verlag habe als er (Reimer), von denen noch dazu einige vergriffen seien. Mit Joseph Max dagegen solle sich J. P. wegen dessen viel untergeordneteren Ansprüchen gütlich auseinandersetzen, ferner die geeigneten Schritte tun, um in Österreich, Baden und Württemberg den Nachdruck zu bekämpfen. J. P.s Antwort erbat Reimer nach Leipzig, wohin er am 30. Sept. abgehen und wo er bis 16. Okt. bleiben werde. — Aus einem Brief Reimers an Karoline Richter aus Leipzig vom 7. Okt. 1825 (Berlin JP) geht hervor, daß diese am 3. Okt. — anscheinend ohne Wissen J. P.s — und gleichzeitig auch Richard Spazier aus Dresden an Reimer geschrieben und unter Hin- weis darauf, daß Brockhaus Goethe für eine Gesamtausgabe 80 000 Taler angeboten habe (vgl. Sophienausgabe, IV. Abt., 40. Bd., S. 442), eine Erhöhung der Kaufsumme auf 40 000 Taler gefordert hatten. Reimer macht dagegen geltend, daß Spazier in einem früheren Schreiben nur 30 000 Taler verlangt, daß J. P. selbst sogar sein erstes Angebot von 20 000 Talern für übergenügend angesehen, und daß J. Max nur 14 000 Taler geboten habe (vielmehr 15 000, s. zu Nr. 487), erklärt sich aber bereit, eventuell die Auflage zu vergrößern und für weiteren Absatz von je 1000 Exemplaren je 5000 Taler nachzuzahlen.