Von Jean Paul an Gräfenhain. Leipzig, 4. Juni 1783.
Darstellung und Funktionen des "Kritischen und kommentierten Textes" sind für Medium- und Large-Screen-Endgeräte optimiert. Auf Small-Screen-Devices (z.B. Smartphones) empfehlen wir auf den "Lesetext" umzuschalten.
[Kopie]
Ihr Billet fängt sich mit 3 Unrichtigkeiten an. Es ist keine Güte von
H. Körnern, daß ich im Garten herumgehen darf: denn die
Erlaubnis
dazu bezale ich. Also ist es eben so wenig Güte von Ihnen gegen
mich; 70,25
vielmer war es Höflichkeit auf meiner Seite, mein
Recht durch den
neulichen Brief so einzuschränken. Aber gegen
H. Körner sind Sie gütig,
da Sie mit einem dritten den Genus dessen teilen, was Sie ganz
bezalet.
Die dritte Unrichtigkeit ist der Vorwurf des
gebrochnen Versprechens:
denn die Statüe hab’ ich nicht zum
Gränzstein meiner freiwilligen 70,30
Einschränkung gemacht,
sondern nur die neuliche Annäherung zu Ihrer
Wonung versprach’
ich zu vermeiden und ich hab’ es gehalten. —
Freie Luft und
Bewegung, die man beide auch in der Stube haben
kan, ist
weniger der Endzwek des Spaz[ierengehens]
als Vergnügen an
Gartenschönheiten; und dieses Vergnügen wird
durch den Zwang, den 70,35
schönsten und grösten Teil des
Gartens zu entberen, und im Genus
des schlechten durch den
Anlauf der Leute immer gestört zu werden, und 71,1
auf einem einzigen
Gange so oft umkeren zu müssen, so klein, daß es
nicht des
geringsten Zanks mer wert ist. Was sol ich Sie durch fernere
Gründe ermüden; und nicht gerade heraussagen, daß ich der Drohung
ungeachtet künftighin alle Teile des Gartens nuzen werde? H.
Körner ist
71,5
mir nicht fürchterlich; wenigstens nur mit seinem
unmässigen Zorn,
aber nicht mit seinem Rechte. Dieses leztere
kent er so gut, daß er von
mir neulich nicht die Einschränkung
meiner Spaziergänge, sondern nur
die Abänderung meiner Kleidung
verlangte. Ihren Unwillen, der
weniger auf mich als auf den mir
gedrohten Richter gehen solte, hoff’71,10
ich durch folgenden
Vorschlag hinwegzunemen: Ich wil freiwillig den
Garten
verlassen, wo immer das Vergnügen des einen das Mis
vergnügen des andern zeugt; allein da dieses nur unter der
Bedingung
geschehen kan, für eine auf ein Halbiar gemietete
Stube nur das
benüzte Vierteliar bezalen zu dürfen, so komt es
nun auf Sie an, ob 71,15
Sie den H. Körner zur Anname dieser
Bedingung zwingen wollen?
Zitierhinweis
Von Jean Paul an Gräfenhain. Leipzig, 4. Juni 1783. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=I_43
Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen
K 1 (durchstr. Konzeptanfang): 9. Gräfenhain. * K 2 (anschließend an K 1, am Schluß datiert:) Den 4. Juni. i: Wahrheit 3 202. 70 , 24 die bis 25 ich] er mus, da ich mir es ausbedungen habe K 1 27 so] freiwillig K 1