Von Jean Paul an Johann Adam Lorenz von Oerthel. Hof, 1. November 1785.
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Auf einmal bist du von der schlafenden Kirche (in Töpen) zur
streitenden übergelaufen und zielst nach dem punctum saliens
eines
Franzosen: denn zu einem Franzosen mus O. erst
reifen. Ich habe
gestern seinen Brief an dich bei ihm gelesen. Die Aufschrift
des deinigen 178,20
(autrefois en Fr. et desàpresent
[?] à Isar) hat ihn so
erbittert, weil
er sie folgendergestalt entzieffert: sonst im höflichen
Frankr[eich] und
iezt in Isar, wo er grob genug geworden, dich um Wein zu bitten. Er
hat sogar mich für den ersten Urheber derselben gehalten: meine
doppelte Antwort darauf, die deinen Kopf und mein Herz
rächte, 178,25
erräthst du. Was seine Bitte entschuldigt,
ist, daß deine Frau Mutter
bei der Ottoin, da sie von der Reise nach Isar hörte, sich
erklärte „da
köntest du auch dahinkommen und um das Vergnügen zu vermehren,
Zukker und Kaffee mitbringen.“ Er glaubte also, dir blos
dieses
Geschenk zu ersparen, da er dich um ein anderes bat;
wiewol er den 178,30
Wein blos für Geld begehrt zu haben
vorgiebt.
Übrigens nehmen seine 2 Brüder an dem ganzen Hader keinen Theil
und stellen sich darum mit dir nicht minder zufrieden an. Der
kleine
wolte sogar gleich anfangs nicht in die Abschikkung des
ersten Briefes
willigen. 178,35
In deiner Antwort kanst du den Vorwiz des Ottos, der das Fran-
179,1
zösische besser wie du zuverstehen wähnt
und an deinem Briefe das
Untadelhafte tadeln wil, ein wenig
zurechte weisen und ihn, wie ich ge
than, an
den doppelzüngigen Ausdruk des seinigen erinnern, ohne dich ie
doch die Nachricht, die ich dir hier gegeben, zu deutlich
merken zu lassen. 179,5
Die Otto haben mir versprochen, mich deine Duplik sehen zu lassen.
Du armer Örthel! bald hast du mit einer Krankheit zu kämpfen,
die du mit den [!]
Namen der französischen Nazion vermengtest, bald
mit einem
Deutschen, der gleichfals mit den Franzosen verwechselt
werden wil. Leb wol. 179,10
Zitierhinweis
Von Jean Paul an Johann Adam Lorenz von Oerthel. Hof, 1. November 1785. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=I_121
Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen
H: Berlin JP. 1 ¼ S. 4°. 178, 21 desàstresent ihm
Es handelt sich um Christoph Otto, den jüngsten Bruder, der Kaufmann, später Zollbeamter und Gatte Renate Wirths war; vgl. 180, 21f., 187, 26ff. 178, 21 Isar: Dorf bei Töpen. 179, 7f. Hermann schreibt am 17. März 1789 an Richter, der über Lungenschwäche geklagt hatte, er (Richter) sei so wenig schwindsüchtig, als Oerthel ehemals an einer venerischen Krankheit gelitten habe (Schreinert S. 179).