Von Jean Paul an Carl August Matzdorff. Hof, 14. April 1795.
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[Schluß Kopie]
Jeder Ihrer Briefe ist ein festeres Ordensband des Herzens, das
meines näher an Ihres bindet, und es würde mich unaussprechlich
kränken, wenn ich Sie einmal sehr —
leider ein wenig wol — ver74,30
kant hätte. Sie können sich kaum die mishellige Empfindung
eines
Autors denken, wenn er die Lieblinge seiner Seele den
tölpischen mer
kantilischen Betastungen
Ihrer meisten Mes-Kollegen überlassen mus;
dafür aber können
Sie sich vielleicht besser die meinige vorstellen, die Sie
erschaffen, wenn ich den aus meinem Geiste ausgegangnen Geist mehr75,1
an Ihrem Herzen als in Ihren Händen sehe, mehr väterlich
gepflegt als
kaufmännisch gewogen, mehr als Glaubens- denn als
Handelsartikel.
Es würde nicht meine Schuld sein, wenn wir
beide jemals auseinander
kämen — und wärs
auch, so würd’ ich den nie verkennen, dem ich einmal75,5
Worte
wie diese geschrieben. Sie haben daher alzeit das Vorkaufs
recht bei allen meinen künftigen Manuskripten: nehmen Sie sie
nicht,
so haben wir nur weniger Geschäfte, nicht weniger
Liebe. Ich werd’
Ihnen nächstens ein
kleines leichter geschriebenes Bändgen wieder
anbieten: ich bin nur heute zu eilig.75,10
Sie haben über die bäotische [!] Rezension
etc. sich nicht die geringste
Schuld zu geben, nur das ausgenommen — was mir als einem
offen
herzigen Freunde zu tadeln erlaubt
sein mus —, daß Sie dem quäkenden
Froschlaich, der fremde Eier
rezensiert, nicht soviel Ködermücken in den
Teich zuwerfen
[solten] — Lassen wir die versunkne
Menagerie in ihrem75,15
Schlam. Für die Lesewelt: die Kapitel
kürzer als den Styl zu machen —
sich keine Mühe zu geben, um
keine zu machen — im Schlafe zu schrei
ben,
damit andere [?] im Schlafe lesen können.
Pflicht, dem Ideal des
Schönen auf eigne Kosten treu zu bleiben
und einige Bequemlichkeit
eines vorüberrinnenden Seins gern der
Wahl ewiger Gedanken hin75,20
zugeben.
Zitierhinweis
Von Jean Paul an Carl August Matzdorff. Hof, 14. April 1795. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=II_98
Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen
H: Berlin JP. 2 S. 4°. (Schluß von 75, 13 dem an fehlt.) K: An Mazdorf 14 Apr. 95. J (am Schluß i): Nachlaß 4,256×. 75,9 kleines leichter geschriebenes] nachtr. H 11 bäotische] vgl. Bd. I, Nr. 33, 57, 26 †. 14 nicht] nachtr. K in den Teich] nachtr. K
H stammt aus Jean Pauls Nachlaß, ist also jedenfalls eine nicht abgesandte Fassung. In der abgegangenen, die Matzdorff am 21. April erhielt und beantwortete (die Antwort ist nicht erhalten), muß der Hinweis auf das neue Werk (Fixlein) 75, 8–10 etwas anders gelautet haben; denn Matzdorff schreibt am 1. August 1795 mit Bezug hierauf: „Das, was Sie mir sagten, war mehr Ihrem Selbstgefühl als der Wichtigkeit der Sache angemessen. Selbst der mir ungeläufige Provinzialismus heuer [vgl. I. Abt., V, 539, Anm. zu 151,9], der mit dem Ton Ihrer Frage so schön zusammenstimmte, mußte dazu beitragen, eine so wichtige Zeile nicht gehörig zu würdigen und auszudeuten ... Ohnedies hätte es kaum einer Anfrage bedurft, ob ich schon wieder zu Ihrem Dienste bereit stände, wenn das Werkchen, dessen Sie erwähnen, mit der Kürze der Zeit in einem so genauen Verhältnis stand.“ Vgl. zu Nr. 137 und 151. Über die Rezension vgl. zu Nr. 76.