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Korrespondenz

Von Jean Paul an Emilie Dorothea Friederike Harmes. Hof, 30. Juli 97.

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Hof d. 30 Jul. 97 [Sonntag].
354,24

Gute Emilie! So nenn’ ich Sie künftig: schon in meiner Kindheit354,25
klang der Name Emilie meinem Herzen weissagend-schön. — Ich
sezte eilig voraus, daß Sie bei mir die moralische Unmöglichkeit vor
aussezten, gegen mein Ehren-Wort — das ich meinem blossen Worte
weit vorziehe — oder gegen irgend eine freundliche Erwartung eines
Menschen (geschweige eines geliebten) zu handeln: sonst hätt’ ich354,30
weder durch mein Schweigen noch durch den zurükgefoderten Rok
Ihre liebenden Irthümer verdoppelt.


Warum sezet Ihre liebe Sehnsucht nicht die meinige voraus? —355,1
Ich habe dem Schmerze die schwersten Steuern abgetragen und ich
habe nichts mehr zu verwinden als ein wachsendes Sehnen.


Den 5ten August, (Sonabends) wart’ ich von 10 Uhr morgends
an auf Sie, weil Sie so wollen und bleibe 8 Tage bei Ihnen: nur355,5
Regenwetter verschiebt meine Freude.


H. Herold, der an den Geist Ihres Geschlechts zu mänliche Fode-
rungen macht, kam dieses einzige mal mit erfülten zurük und wünscht
sehr, Sie wieder zu finden wenn nicht bei Eger doch in seinem Hause.

Ach in Ihrem Herzen ist mehr Liebe als in Ihrem Auge und darum355,10
werden Sie nicht gekant und nicht glüklich. — Möchten Sie lieber an
meinen Schlüssen und meinen Erfahrungen als an meinen Empfin
dungen Antheil nehmen! Ich kan wie Sie mit dem brenbaren Aether-
globus der 2ten Welt aufsteigen über die erste und in der Montgolfiere
des Ideals mich in den ofnern Himmel verlieren, aber ich frage dan355,15
nicht soviel wie Sie nach der Erdenkälte in der Höhe, weil ich nur von
der Erde, nicht vom Körper getrent bin. — —


Ihre guten Kinder gewinn’ ich immer lieber: die sanftesten Grüsse
an sie.



Lebe wohl, gute Emilie!355,20
Richter

Zitierhinweis

Von Jean Paul an Emilie Dorothea Friederike Harmes. Hof, 30. Juli 97. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=II_670


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Textgrundlage
D: Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 2. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1958. Briefnr.: 671. Seite(n): 354-355 (Brieftext) und 519 (Kommentar). Konkordanzen Druck-Digitale Edition

Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen

H: DLA, Marbach. 4 S. 8°. K: Berleps. 30 Jul. i: Denkw. 2,100. B: IV. Abt., II, Nr. 214. 354,26 klang] davor gestr. war H 355,4 morgends] nachtr. H 7 den Geist Ihres Geschlechts] aus Ihr Geschlecht H 14 über die erste] nachtr. H 16 nach nach H

Jean Paul war am 25. Juli zum Besuch Emiliens nach Franzensbad gereist, aber wegen des noch am gleichen Tag erfolgten Todes seiner Mutter schon am 26. nach Hof zurückgekehrt, nachdem er ihr mit Wort und Hand versprochen hatte, bald wiederzukommen. In B zeigt sie sich bekümmert darüber, daß sein Freund (Herold), der bei ihr gewesen, um seinen (Richters) zurückgelassenen Rock zu holen, ihr keine Zeile von ihm mitgebracht und seine Rückkehr für zweifelhaft erklärt habe. „Heute über 3 Wochen gehe ich von hier ... Richten Sie’s so ein, daß wir zusammen nach Hof zurückgehn ... Schreiben Sie mir einen bestimmten Tag und ich hole Sie in Asch ab. Ich will es so.“ 355, 13–15 Vgl. den Schluß des Kampanerthals.