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Korrespondenz

Von Jean Paul an Barbara Juliane Freifrau von Krüdener. Hof, 19. Oktober 1796.

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[ Hof, 19. Okt. 1796 ]
260,12

Die Erinnerung ist die 2te Welt der Freude, der Harmonikanachklang
unsers vertönenden Lebens. Die lezten Stunden werden von allen
meinen jezigen nachgespiegelt. Die Schweiz entzieht meinem Gefühl 260,15
mehr als sie ungesehen ihm bisher gab — denn sie nimt mir Sie.
Ein Monat um den andern wird mein Sehnen mehren und keiner wird
es stillen. Die hohe Natur wird Sie mit den Pharusthürmen der
Gletscher und mit den unbelebten Titanen der Alpen umfassen und ver-
hüllen — und ich werde von Ihrer vollen Seele nichts haben als die260,20
Hülle ihrer Hülle — einen Farben Wiederschein, Ihr Bild. — Wo ich
die schönen Augen, aus denen schon so viele bittere und frohe Thränen
flossen, vor meinen habe und wo ich in sie, obwohl in gemalte und ihrer
h. Seele beraubte, versinke — das Portrait, den Schatten, den Sie im
Entfliehen werfen. Briefe [sind] Silhouetten der Seele. Ich hänge von260,25
der Göttin des Glüks und einer noch schönern ab. Ich bitte Sie gleich
stark um einen Brief und um e[inen] französ[ischen]. Ihre Locke würd’
ich nicht wie Bereni[zens] ihre in den Himmel versezen: denn sie ist mir
einer — Und du, Schiksal, nim ihrem Herzen, in dem eben so viele
Tugenden als Schmerzen sind, nichts mehr, ausgenommen die leztern.260,30

Zitierhinweis

Von Jean Paul an Barbara Juliane Freifrau von Krüdener. Hof, 19. Oktober 1796. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=II_437


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Textgrundlage
D: Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 2. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1958. Briefnr.: 438. Seite(n): 260 (Brieftext) und 480 (Kommentar). Konkordanzen Druck-Digitale Edition

Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen

K (nach Nr. 421): Krüdner 19 Okt. i: Denkw. 3,14×. A: IV. Abt., II, Nr. 146.

Sie erhielt den Brief am 21. Okt. 260, 21 Sie hatte ihm ihr Bild versprochen, vgl. Nr. 579†. 27 Vgl. A: „Aus Zürich hoffe ich Ihnen zu schreiben und nunmehr französisch.“ Vgl. IV. Abt. (Br. an J. P.), II, Nr. 152.