Edition
Korpus
Korrespondenz

Von Jean Paul an Gottfried Andreas Schäfer. Hof, 18. November 1795.

Darstellung und Funktionen des "Kritischen und kommentierten Textes" sind für Medium- und Large-Screen-Endgeräte optimiert. Auf Small-Screen-Devices (z.B. Smartphones) empfehlen wir auf den "Lesetext" umzuschalten.



[Kopie]

[ Hof, 18. Nov. 1795 ]
129,13

Theuerster Freund! So hab’ ich Sie bisher immer genant, obwol
nicht auf dem Papier. Da ich auf meiner Bücher Werfte auf einmal129,15
2 Fahrzeuge zimmern muste: so must’ ich die 2 besten verwandten
Dinge einmal entrathen — das schöne Wetter und die Freundschaft,
insoweit ihr Genus aus der Hülse der Briefe zu schäälen ist. In
meiner immer mit der Luft-Architektur beschäftigten Phantasie hängt
der vergangne Frühling zauber- und feenhaft auf Morgennebel129,20
gemalt und alle rosenfarb[ne] Luftschlösser im Gemälde sind aus
Bayr[euthischen] Gassen genommen. Im Frühling werden diese
Luftschlösser fester werden und niedersinken und ich werde hineintreten
und Sie umarmen. — Was macht Ihr Telemach, der mit dem
französischen nur im Lehrer Aehnlichkeit hat? — Dem Ehrgefühl wird 129,25
sein Stand nachhelfen, aber nicht den sanften Regungen des Mitgefühls,
mit denen ausgerüstet Sie ihn auf den Fürstenstuhl schicken müssen.
Einen Fürsten, der die Standhaftigkeit zu weiter nichts nöthig hat als
oft eine fremde zu erschüttern, würd’ ich in einem Grade erweichen
und zerlassen, ders für meine Unterthanen zu sehr wäre. — Im129,30
Ganzen solte man einem Menschen nicht die Tugenden seines künftigen
Standes oder Alters einerziehen — denn diese werden ohnehin von den
Verhältnissen aufgedrungen — sondern ihn gerade mit denen rüsten,
denen seine künftige Lage entgegenarbeitet: man solte den Kopf für, das
Herz gegen die künftige Lage bilden. — Ich sag’ ihm [Emanuel?] einen 129,35
gerührten Dank für eine doppelte Freundschaft, für Ihre und für seine.


Zitierhinweis

Von Jean Paul an Gottfried Andreas Schäfer. Hof, 18. November 1795. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=II_194


Informationen zum Korpus | Erfassungsrichtlinien

XML/TEI-Dokument | XML-Schema

Textgrundlage
D: Jean Pauls Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Dritte Abteilung, Band 2. Hrsg. v. Eduard Berend. Berlin: Akademieverlag, 1958. Briefnr.: 195. Seite(n): 129 (Brieftext) und 433-434 (Kommentar). Konkordanzen Druck-Digitale Edition

Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen

K: Schaefer Bayreuth d. 18 Nov. 95. i: Nachlaß 4,264× (23. Nov. 1795). B: IV. Abt., II, Nr. 46. A: IV. Abt., II, Nr. 68.

Nr. 194—196 sind die 128, 12f. angekündigten Begleitbriefe zum Quintus Fixlein. 129, 16 zwei Fahrzeuge: Biographische Belustigungen und Siebenkäs. 24 Telemach: Schäfers Zögling, Prinz Lichnowsky (Anspielung auf Fénelons „Aventures de Télémaque“); vgl. 103, 26f. 28–30 Vgl. aber I. Abt., XII, 288,17ff. (Levana, § 102). Man erwartet „ seine Unterthanen“; Jean Paul hatte sich ja aber im Hesperus selber als Fürstensohn ausgegeben. 30–35 Vgl. I. Abt., XII, 113,32ff. (Levana, § 31).