Von Jean Paul an Erhard Friedrich Vogel. Hof, 14. Juli 1794.
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Die Freundschaft und der Braunkohl schmecken am besten, wenn
beide ein wenig in der Kälte gestanden waren. Ich hoffe, unsere ist13,20
längst über den November weg und blüht jezt in dem Monat, wo
hier
geschrieben und gemähet wird. Sie behandeln mich wie
das Publikum
— d. h. Sie schreiben nicht. Warlich man mus ein
Konsistorium, ein
ganzes corpus — oft
impium — sein, um nur eine Zeile von dem
Arzberger Manne zu kriegen, dessen Dintenfas wie die
Arzberger
13,25
Schachte zugefallen scheint.
Apropos! Den Titel Kirchenrath hab’ ich Ihnen blos gegeben, weil
Sie ihn (wie ich hoffe) nicht verdienen. Um ihn zu verdienen, mus man
sich so wie H. Seiler um die Kirchen bekümmern — d. h. gar
nicht; so
wurde auch die h. Zäzilie die Schuzpatronin der Musik, blos
weil sie
13,30
aus Tugend auf keine hörte. Die Heiligen nehmen nicht
blos die
Vernunft gefangen, auch ihre Sinne und die Vernünftigen. Was
sagen Sie zur neuen Re- oder
Deformazion Ihres Standes, wo es den
Kandidaten wie den
Bierfässern — dieses Gleichnis ist nicht weit
hergeholet —
ergehen sol und wo keine Lehrer und Fässer aufrecht
13,35
bleiben als die leeren? —
Was sagen Sie zu meiner Geduld, die ich damit habe, daß Sie14,1
nichts zu mir sagen, ob Sie es gleich versprochen haben?
Was sagen Sie dazu, daß ich den Sonabend (den 19ten Jul.)
—
komme, und zwar — wodurch ichs wieder gut mache — als
Begleiter
meines Freundes Otto, der Sie lachen und predigen
hören wil? — Sie
14,5
werden mir meine Ankunft gern für das vergeben, was ich
Ihnen
mitbringe und
mein[en] lieben Otto froher empfangen
als die Wiener
einen h. Leib, da das, was er unter der Brust und unter der
Hirnschaale
trägt, nicht blos in den Höfer Steppen zu den
seltenen Gewächsen
gehöret.14,10
Ich wünschte, daß Sie mich diese ganze Woche hindurch vor Ihrer
Frau Gemahlin lobten, damit ich für die Beschwerden, die ich mache,
leichter Vergebung erhalte. Ich habe nach einem langen
Interval
wieder das Vergnügen, Sie zu versichern, daß ich
mit der volkommen
sten Hochachtung bin14,15
gehors. Diener
Fr. Richter.
Meine gehorsame Empfehlung an Ihre Frau Gemahlin und Dlle
Tochter.
14,20
Nachschrift den 23 Jul. Morgen wollen wir kommen: Sie
sehen
wie lange das Schiksal unsere Wünsche täuschte
Zitierhinweis
Von Jean Paul an Erhard Friedrich Vogel. Hof, 14. Juli 1794. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=II_11
Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen
H: Brit. Museum. 4 S. 4°. K: Vogel Arzberg 14 Jul. 1794. J 1: Wahrheit 5,52×. J 2: Nachlaß 3,269×. A: IV. Abt., II, Nr. 9. 13,21 Monath K 31 nicht blos] nachtr. H 32 auch] aus und H
Vgl. Bd. I, 396, Nr. 348†. Der angekündigte Besuch scheint nicht erfolgt zu sein, da Vogel sich in A beklagt, daß Richter so lange wie der Messias auf sich warten lasse, und ihn für den Antichrist anzusehen droht, wenn er nicht binnen acht Tagen erscheine. 13, 30f. h. Zäzilie: vgl. I. Abt., VII, 159,2–4. 14, 20 Tochter: Friederike, geb. 1779, später verh. mit Pfarrer Ellrodt in Gefrees.