Von Jean Paul an Franz Karl Leopold von Freiherr Seckendorff-Aberdar. Weimar, 13. April 1799.
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Sie können, lieber Seckendorf, die Bitte nicht errathen, die Ihnen180,20
so viele Meilen weit nachläuft. — Fr. von Kalb sprach mit
Ihnen von
einem Jüngling, der gern der Sekretair Ihres H. Vaters sein
möchte.
Es ist mein Bruder. Was ich als der seinige von ihm sagen
darf, ist
daß er schon ½ Jahr Jurisprudenz studiert hat — daß
er deutsche
und französische Kallygraphie, die Fertigkeit in
beiden Sprachen und
180,25
sogar (wenn der Staat mit alten Römern und Griechen
noch Ver-
hältnisse bekäme) in den Sprachen dieser
Völker und die gewöhnlichen
Auxiliar-Wissenschaften der
Schule und Lebens-Gewandheit besizt.
Was ihm noch fehlt, ist
eben das, was ich durch Sie jezt suche — ein
Sekretariat oder
ein gebahnter Weg des Lebens.180,30
Die Bedingungen seines Verhältnisses, wenn Ihr H. Vater die
Güte hätte, sie zu machen, würden mich gewis nichts kosten
als einen
Brief, der das Ja enthielte. — Ich bitte Sie um
frühe Antwort.
Ich brauche Ihnen nicht zu sagen: leben Sie wohl! In einem
architektonischen Universum wie Berlin vorstelt mus man jede Freude
180,35
und Seele finden können, deren man bedarf. Dieser
Stadt-Welt fehlt181,1
jezt nichts als was wir hier bald sehen
werden — ihre Weltseele, der
König, der durch Weimar geht. —
Addio.
Zitierhinweis
Von Jean Paul an Franz Karl Leopold von Freiherr Seckendorff-Aberdar. Weimar, 13. April 1799. In: Digitale Neuausgabe der Briefe von Jean Paul in der Fassung der von Eduard Berend herausgegebenen 3. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe (1952-1964), überarbeitet von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018). In: Jean Paul - Sämtliche Briefe digital. Herausgegeben im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Markus Bernauer, Norbert Miller und Frederike Neuber (2018–). URL: http://jeanpaul-edition.de/brief.html?num=III_242a
Kommentar (der gedruckten Ausgabe) Siglen
J: Neue Heidelberger Jahrbücher XVIII (1914), Heft 1, S. 37. A: IV. Abt., III.1, Nr. 190.
Vgl. 165, 7 f.; Charlotte v. Kalb an J.P. IV. Abt., III.1, Nr. 180: „Schreiben Sie heute dem Sckd. Da Hardenberg wohl nach Franken kommen wird, so kann Ihrem Bruder geholfen werden.“ Leopold Freiherr von Seckendorff- Aberdar (1775—1809), Regierungsassessor in Weimar, auch literarisch tätig, antwortete, er habe mit Hardenberg gesprochen; Samuel müsse erst ein Examen bestehen, um als Auskultator angestellt zu werden; bei seinem (Seckendorffs) Vater sei die Sekretärstelle gegenwärtig besetzt. 181, 1 –3 König Friedrich Wilhelm III. kam erst Anfang Juli 1799 nach Weimar, s. 208, 29 f.